Nadim Vardag -- Condition

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Nadim Vardag
Condition
17/03/2023 - 29/04/2023

Eröffnung: 16. März, 18.00 - 21.00

 

Condition. Der Zustand also. Vielleicht ja aber auch: die Zustände (nicht ganz das gleiche). Die konkrete Verfasstheit von etwas, dieser Zustand oder jener. Oder eben: die Bedingungen, die so und nicht anders sind. Insofern steckt im nüchternen Titel von Nadim Vardags Ausstellung eigentlich schon alles drin: Das konkrete Sein nämlich eines Gegenstands in einem bestimmten Umfeld, und damit ist auch mitgemeint, wie dieses Umfeld im Sinne einer Rahmung bedingt, dass und wie etwas beispielsweise als Kunst wahrgenommen wird (die Rezeptionsbedingungen also). Zudem: Unter welchen Bedingungen diese Gegenstände, die man Kunst nennt, überhaupt entstehen (die Produktionsbedingungen also). Stets bedingen die Zustände den Zustand. Bestimmen sie Prozess und Produkt und legen fest, was zu tun ist. Was möglich ist und was nicht. Und wie etwas aussieht.

In den Arbeiten Vardags rücken diese an sich erst einmal unsichtbaren Zustände, Umstände und Bedingungen, diese Infrastrukturen des Machens und Zeigens, die oftmals dazu führen, dass ein und dieselbe Sache ziemlich radikal ihren Charakter ändern kann, immer wieder vom vermeintlichen Rand ins Zentrum. Sie werden selbst zum Inhalt, gehen aber nicht in ihm auf. Oft stehen dabei Fragen des Displays im Vordergrund, und damit solche der Rezeption, der Wahrnehmung von etwas „als“ Kunst. So etwa in den modularen Skulpturen aus Egon-Eiermann-Tischgestellen, die Vardag unter anderem 2012 bei Georg Kargl Fine Arts zeigte: aus sogenannten Designklassikern und Holzplatten zusammengeschraubte Kunstwerke, die ihrerseits aber sofort wieder einen Schritt ins Architektonische machen und zu Raumtrennern, Projektionsflächen oder Publikumstribünen werden. Oder jene Metallobjekte, die auch in Condition zu sehen sind und die auf Grundlage handelsüblicher, leicht modifizierter Aluminiumklapprahmen entstehen. Die Klappflügel dieser mit Abstandshaltern betont objekthaft ein Stück von der Wand entfernt gehängten Rahmen stehen offen, sie halten also kein Bild und haben keinen Inhalt außer ihrer eigenen Rahmenhaftigkeit. Mal werden profane Aluminiumrückwände eingesetzt, die sich materialästhetisch bis zur Unkenntlichkeit an die Rahmen angleichen, mal mit Epoxidharz übergossene Aluminiumgewebe – was zwar eine Art Muster, ein „Bild“ ergibt, aber eben eins, das mit seinem Träger zu verschmelzen scheint.

In der zentralen Arbeit der Ausstellung, einer raumgreifenden Struktur aus Buchenholz mit gewaltigen Ausmaßen, tauchen hinter der Thematisierung des Displays und damit der Bedingungen der Rezeption zudem vermehrt Fragen nach den Bedingungen der Produktion und damit nicht zuletzt der Ökonomie auf. Diese Arbeit (wie alle Exponate der Ausstellung: Untitled, 2022/2023) besteht aus drei identischen Modulen. Entstanden sind sie ursprünglich 2022 für die Sammlungsausstellung Changes im mumok, und zwar nicht als Kunstwerk, sondern als vom Museum in Auftrag gegebene und auch als Dienstleistung bezahlte Displayarchitektur, in deren kojenartigen Vertiefungen und an deren Wänden die Exponate aus der mumok-Sammlung zu sehen waren – eine ganz andere Form von „Arbeit“ also. Auf dem Weg aus dem Museum in die Galerie hat sich an sich nichts geändert, mal abgesehen vom Arrangement und den zusätzlichen Schrauben, mit denen die drei einzelnen Elemente nun zu einer zusammenhängenden Skulptur verschraubt sind. Und doch ist viel passiert, hat dieses Objekt seinen Zustand geändert: Aus der Auftragsarbeit fürs Museum ist nun ein eigenständiges Kunstwerk für die Ausstellung in der Galerie geworden. Die Rahmenbedingungen, die Konditionen, unter denen Kunst produziert wird (und zu denen es meist auch gehört, dass der:die Künstler:in hie und da einen „Job“ annimmt), wandern inklusive der entsprechenden institutionellen Ausprägungen in die Arbeit hinein, versehen sie nicht nur mit einer Geschichte, sondern mit einer bestimmten Haltung gegenüber den Umständen und dem, was sie möglich machen (oder verunmöglichen).

Als Vorläufer dieser Arbeit und ihrem schillernden Spiel mit verschiedenen Umständen wie Aggregatzuständen ließe sich Vardags Ausstellung Speicher heranziehen, die 2021 im Berliner Ausstellungsraum New Toni zu sehen war und sozusagen den umgekehrten Weg ging. Die dort gezeigten, aus Buchensperrholz gefertigten modularen Kuben erinnerten, an die Wand gerückt, an architektonische Interventionen, und, frei im Raum gestellt, an klassische Minimal-Art-Objekte. Diese sehr „kunsthaften“, geschlossenen Objekte wurden anschließend nicht eingelagert, sondern in die Wohnung des Künstlers transportiert, wo sie nun, mit ihren offenen Seiten nach vorne, als Schränke dienen. „Gespeichert“ waren in ein und demselben letztlich einfachen Objekt verschiedene mögliche Zustände und Verwendungszwecke genauso wie bestimmte Erwartungen und Projektionen. 

Womit wir bei der letzten Werkgruppe wären, die in Condition zu sehen ist und in der die teilweise dann doch verwirrende Komplexität, die sich aus im Grunde möglichst direktem und pragmatischem Umgang mit den Bedingungen und unterschiedlichen Zuständen ergibt, noch einmal besonders deutlich wird – ja, in der, wenn man so will, diese Komplexität fast schon klassisch „dargestellt“ wird. Die Rede ist von einer Serie von Kaltnadelradierungen mit unterschiedlichen Knotenmotiven, an der Vardag seit 2017 arbeitet und deren konkrete Ausführung und Präsentation stetig modifiziert wird. Die Motive dieser Radierungen gehen stets von einem gleichmäßigen Raster aus, verbinden die einzelnen Instanzen dieses Rasters jedoch jeweils unterschiedlich – in mal dickeren, mal dünneren, mal verworrenen, dann wieder nachvollziehbareren Strängen. Hier werden diese Arbeiten auf vom Künstler entworfenen Rahmen aus Buchenholz präsentiert, also demselben Material, aus dem auch die große Skulptur im Hauptraum der Galerie gefertigt ist. Die meisten der Blätter sind zudem doppelt bedruckt. Seltsame Vexierbilder entstehen, leicht verrutscht, verschoben und nicht ganz scharfzustellen, nicht zuletzt eine Darstellung unterschiedlicher Zustände derselben Werkserie auf ein und demselben Blatt Papier. Das Motiv liegt offen dar. Auch das Prinzip ist klar, geradezu einfach. Nur eben das Ergebnis nicht.

 Dominikus Müller