Richard Artschwager -- Gegenwärtig aber ungenau

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Richard Artschwager
Gegenwärtig aber ungenau
05/11/2005 - 14/01/2006

Dieses Frühjahr eröffnete Georg Kargl neben der bestehenden Galerie in der Schleifmühlgasse seinen neuen Ausstellungsraum „BOX“. Für die Fassadengestaltung konnte der 82-jährige amerikanische Künstler Richard Artschwager gewonnen werden, eine dauerhafte Installation in Wien zu schaffen. Mit dieser setzt er einen starken städtebaulichen Akzent innerhalb des historischen Ambientes des 1910-1911 von Ernst Epstein errichteten Miethauses mit seiner rotvioletten Marmorfassade.

Jetzt zeigt Richard Artschwager in der BOX unter dem Titel „Gegenwärtig aber ungenau“ seine jüngste Werkgruppe figürlicher Wandarbeiten aus gummiertem Haar – lebensgroße colorierte Figuren, die in teils ausladenden Bewegungen alltägliche Handlungen vollführen. Sie überspielen die herkömmlichen Gattungsgrenzen von Malerei und Skulptur und gehen eine Verbindung von Bildhaftem und Objekthaftem, von dreidimensionalem Bild und zweidimensionaler Skulptur ein. Auf Masonite kaschiert und wie ein Bild an die Wand gehängt scheinen sie ihren fix zugewiesenen Platz im räumlichen Gefüge zu verlassen, sich vom Bildträger zu lösen, um in sprechenden Gesten und Gebärden zueinander und mit dem Betrachter in Beziehung zu treten. Diese Dynamik wird in den Titeln der Arbeiten wie Running  Man, Rejoicing Woman, Climbing Boy oder Crouching Man durch die Akzentuierung des aktiven Verbs unterstrichen.

Bereits seit 1967/68 entwickelte Artschwager die so genannten blps, an deren Beginn eine Kombination grafischer Impulse, wie Striche, Y-Formen und Haken standen. Die räumliche Umsetzung dieser Elemente prägte sich in ihrer Form zu einer länglichen Kapselform aus, die „wirkungsvoller als ein Punkt“ zunächst als ausgesägte und bemalte Holzteile zu Gruppen arrangiert wurden. Als Artschwager diese erstmals im Juni 68 in der Galerie Konrad Fischer innDüsseldorf ausstellte breiteten sich die `blps` wie schwarze Flecken über den definierten Ausstellungsraum hinaus auf Fensterflächen, Eingangsbereich und Decke aus und widersetzten sich somit einer architektonischen Vereinnahmung.

Wie aus den Aufzeichnungen Artschwagers hervorgeht, entwickelten sich die späteren Rosshaar-blps aus dem Wunsch „ein blp zu machen, das nicht aussieht wie ein ausgestanztes Loch im Raum, sondern wie ein weicher Fleck in der diamantenen Härte der Luft.“

Im Gegensatz zu seinen handwerklich perfekten, auf geometrische Grundformen reduzierten Möbelobjekte aus Resopal (Formica), deren geschlossene, scharf gezogene Umrisse nach einer größtmöglichen Vermeidung des subjektiven Ausdrucks trachten, spielen seine Rosshaar Skulpturen durch ihre weichen und lebendig gestalteten Silhouetten mit räumlich illusionistischen Effekten.

Seit 1998 entstanden etwa 30 Rosshaar-Scherenschnitte aus dem gleichen Material, das er bereits für die blps und Hair Boxes verwendet hat. Ähnlich wie bei den blps wird der architektonische Kontext in der gegenwärtigen Ausstellung gebrochen, jedoch wird die isolierte reduzierte Form – so als wäre sie die Antithese zu einer Erfahrung von Lebendigkeit –  durch die darstellende dynamische Figur ersetzt. Leben in seiner profundesten Bedeutung kann niemals in einer geschlossenen Form fixiert und gebunden werden. Ständige Bewegung und Schwingung aller Elemente erzeugen ein „blurring“ – ungenau  –, durch das der energetische Zustand spürbar – gegenwärtig  – wird. Artschwager simuliert diesen durch das verwendete Material und den Einsatz der figurativen Darstellung.